Carl Heinrich Riegers - Comments (GER)
(1-7) - Der Apostel zeigt dem Titus den evangelischen Handgriff, wie er den Glubigen in Kreta die Gnade ihres Berufs vorhalten, und ihnen dabei in das Angedenken bringen soll, in was sie ehemals auch gesteckt, aus was sie errettet, und in welche eine Hoffnung sie gesetzt worden seien, damit sie desto gewisser den - ihren Oberen schuldigen Gehorsam, den nbrigen aber alle Lindigkeit beweisen, und sich durch keinerlei angetanes Unrecht zu irgend einer Ungebhr auftreiben lassen. Unser leichtsinniges und auf Behauptung seines Eigensinns so trotziges Herz braucht immer Ermahnens oder Erinnerns. Eine vorztgliche Zierde des Evangeliums hat es zu allen Zeiten ausgemacht, da ungeachtet es eine Predigt vom Himmelreich ist, und also einen HErrn, JEsum, zum Knnig einsetzt, es doch den Frsten und Obrigkeiten so wenig etwas vorrgckt, als wenig der HErr JEsus zu seinem Reich eines Fadens breit verlangt hat. Das Evangelium schmeichelte also freilich den Groen dieser Welt nicht so, als ob sie das unbewegliche Reich hstten, sondern das Evangelium setzt Alles in das Warten auf die Offenbarung des HErrn JEsus in seinem Reich; bis dahin aber lt es dem Reich der Welt alle von GOtt ihm eingerumten Zeiten, und macht die Mitgenossen des Evangeliums zu der Obrigkeit getreuesten Dienern, und geduldigsten Untertanen. Dabei geht es nicht nur aus Furcht vor der Strafe, sondern auch aus Wohl eines guten Gewissens, woraus besonders die Bereitschaft zu allem guten Werk oder die Brauchbarkeit zu mancherlei angenehmen Diensten entsteht. Bei jedem b rgerlichen Gang und Verfassung in der Welt gibt es freilich auch Solche, die von der ihnen darin eingerumten Gewalt einen Mi brauch zu Anderer Bedrckung machen; da ist denn das gemeinste, womit man sich noch wehren will, das Maul; aber auch das zu bezehmen, soll man Erinnerung tun und annehmen. Denn geholfen ist damit nichts, weil sich es die Groen schon lange zur Gewohnheit gemacht haben: Lawt sie schwtzen, wenn sie uns nur mrssen machen lassen. Inmittelst kommt doch durch eine zum Lstern entzJndete Zunge viel Befleckung in den Wandel. Im Hadern soll man nicht der angreifende Teil, aber bei erlittenem Angriff gelinde sein, nirgends Bses mit BOsem, oder Scheltwort mit Scheltwort vergelten. Je mehr man von der Wahrheit GOttes eingenommen ist, je sanftmtiger kann man auch bei Verteidigung derselben verfahren. Die ruhige Gewi heit vom Sieg schneidet Alles ab, in was man sonst durch Bestrzung hineinkome; und das Angedenken, wie nichts zu erzwingen sei, wie freundlich uns GOtt herumgeholt habe, durch welcher Schwierigkeiten berwindung es bei uns gegangen sei, verh tet, da man doch ja Keinem den Weg zur Umkehr in der Wahrheit mit irgend etwas erschweren m chte. Ohne Rckdenken an seine eigene Jugend, an seine sonstigen Schwachheiten und Versuchungen, aber auch an die von GOtt verschafften Ausg,nge daraus, kann man nicht einmal ein Kind weislich ziehen; wie viel ntiger ist solches Rnckdenken zu allem sonstigen Umgang. Aus diesem Grund empfiehlt dort der HErr JEsus dem Petrus, da er die Wiederaufrichtung aus seinem Fall, und die darunter erlangte Witzigung auch seine Br der solle genieen lassen. Alles was uns jetzt an Anderen zbt, worber wir zu hadern versucht werden, hat sich weiland auch an uns gefunden. - Als Unweise haben wir ehemalen mit unseren Urteilen oft nicht nur wider die Gottseligkeit, sondern auch wider die nathrliche Billigkeit angestoen; als Ungehorsame harten wir die Zucht, und man mute uns oft Zeit lassen, uns hintennach eines Besseren zu besinnen; bei aller angemasten Rechthaberei waren wir doch Irrige, hatten unsere eigenen Neigungen, und wollten unserem Fleisch und seinen Freiheiten keinen Einhalt tun lassen; woraus wie in allem Weltlauf, viel Beien und Fressen unter einander entstand. O GOttes Sohn! wie konnt es sein, Dein Himmelreich zu lassen, zu kommen in die Welt herein, da nichts, denn Neid und Hassen? Ach Deine grone Liebe und unsere groe Not hat das bei Deiner und Deines himmlischen Vaters Menschenliebe vermocht; und die erscheint noch, wo jetzt das Evangelium davon eine Finsternis durchbricht. - Der Vorwand, den man oft zu seiner Ungeduld und richterlichen Scherfe nimmt, ist der: ja, wir wollen doch nichts Anderes, als was recht ist. Ja, wie hat GOtt dich aus der Ungerechtigkeit errettet? Hat er auch auf dich hineingeschlagen, bis Werke der Gerechtigkeit herausgekommen sind? O nein, nach seiner Barmherzigkeit brachte Er uns zur Erkenntnis der Wahrheit, berief uns in die Gnade Christi, versetzte uns dadurch in einen seligen Stand; aus der Obrigkeit der Finsternis in das Reich der Liebe; aus Bosheit, Hassen, Neiden zc., in das Wandeln im Licht, in der Wahrheit, in der Sanftmut und Demut. Der Anfang dazu wurde gemacht in der Taufe, als im Bad der Wiedergeburt. Diese in der Taufe angefangene Gnade aber hatte ihren Fortgang in der Erneuerung des heiligen Geistes, und der aus dessen Trieb fortgehenden Heiligung. Bei der Taufe und bei der weiteren gehorsamen und glubigen Annahme des Evangelii wird uns je mehr und mehr geschenkt der Heilige Geist; was Der bei uns vermocht hat, zu was die Vergebungsgnade bei uns fruchtbar geworden ist, und welche Hoffnung wir nun durch die Kraft des Heiligen Geistes behaupten kinnen, das macht das Rckdenken an das, was wir zuvor waren, ertreglich, und legt alles Neiden, Hadern ber das, was auf Erden ist, danieder, weil man sich dazu berufen findet, dag wir den Segen beerben.
(8-11) - Der Apostel spricht Tito zu ber den obigen Grundstecken fest zu halten, und im Vortrag immer nur auf das Ntigste und N tzlichste zu sehen; das aber, was weniger zur Erbauung taugt, von sich zu weisen, und sich nicht in langwierige, vergebliche Streitigkeiten verwickeln zu lassen. Die Worte: das ist gewilich wahr, kann man teils als ein Siegel sber das Vorige ansehen, teils aber auch als den Grund, warum Titus das so ernstlich soll. In der ffentlichen Lehre mum man um der Menschen Bedrfnis willen auf gewisse Hauptsachen befestigt werden, und selbige bestnndig treiben sich nicht verdrieen lassen. Auch mur ein Jeglicher nach seinem eigenen inneren Grund, und nach Strke seines inwendigen Menschen eine Macht bekommen, das zu zeigen, was fnr seine Zeit und Umstnde das Nntigste ist, das Andere, wie bei der Bergpredigt, spren m ssen: er lehrt gewaltig, oder bevollmchtigt dazu. Wer in den Wirbel hineinkommt, dao er sich in der Wahl der Materien, in der Art des Vortrags, in Fhrung der Beweise nach dem richtet, was in der Welt Mode ist, was zu seiner Zeit fkr weise, gemigt, gemeinntzig gehalten wird, der kann darnber ein dummes Salz werden. In den Reden Christi und seiner Apostel, in ihren Vorschriften mu man sich ersehen, was das Netigste und Ntzlichste ist, und mit welchen Spiehen und Ngeln sie es in der Menschen Gewissen wohl angeheftet haben; es kann Etwas sehr feurig, lebhaft, affektvoll vorgetragen scheinen, und es hat doch das Beste aus dem EbenmaA des gttlichen Wortes nicht. So sorgfrltig der Apostel, die Werke der Gerechtigkeit unsererseits weggerumt hat; als ob wir den Anfang damit gemacht und den Grund zu unserer Seligkeit gelegt hstten (V. 5); so lauterlich er Alles der Gnade GOttes zugeschrieben, da wir durch dieselbe gerecht und Erben des ewigen Lebens seien (V. 7); so fest will er nun auch betrieben haben, dal ein Glaube, der in dieser Gnade zu stehen gekommen ist, einen Menschen nicht faul und unfruchtbar sein lasse, sondern ihn so geschftig und titig mache, da man nicht nur ein oder anderes gutes Werk tun, sondern im Stand guter Werke erfunden werde, da man ihn brauchen kann, wozu man ihn bedarf (V. 14). O wie viel Bednrfnisse gibt es immer am Leib Christi, in einer Gemeinde, in einer Familie, bei Gesunden und Kranken, bei Kindern und Waisen, wo man Leute, die im Stand guter Werke stehen, brauchen knnte. Es ist nicht immer nur auf das Geben angesehen, wie man bei guten Werken sonst auf das hineinfillt, sondern es gibt auerdem mit Trost, Rat, Tat manche Hilfeleistung im menschlichen Leben, manche Stgrkung lssiger Hende zu tun. - Zum Licht der Welt, zum Salz der Erden haben wir uns in unserem Stand brauchen zu lassen, auch nhren wir uns jetzt von dem, was andere ehemalen zum gemeinen Besten zusammengetragen haben; darum liegt uns an, bei unserer Amtsffhrung, bei dem, was durch unser Wort und Beispiel fr Leute gezogen werden, auch darauf zu sehen, was gut und dem Menschen nutzlich ist, da wir nicht dem Strom der irgernisse, den vergeblichen Gewohnheiten unserer Zeit nachgeben, sondern ber dem halten, was den Menschen gut und n tzlich ist. Diesem festen Bleiben ber dem was gut und nitzlich ist zuwider, hat der Vater der Lgen zu allen Zeiten viel Anderes aufzuwerfen. - Was der Apostel hier und anderwgrts von Geschlechtsregistern, vom Streiten ber dem Gesetz sagt, das hat man nicht dahin zu deuten, als ob er wehren wollte, dae man sich mit den Schriften Alten Testaments nicht mehr aufhalten sollte, denn wie viel hat Paulus selbst aus den Geschichten Alten Testaments hergeleitet, wie hat er dem Timotheus die Heilige Schrift, die er von Jugend auf wute, so hoch eingebunden und ihre Brauchbarkeit angepriesen. Und was ist denn an den biblischen Geschlechtsregistern t richtes? Aber das gab trichte Fragen und Geschlechtsregister, an denen kein Ende zu finden war, wenn man die Schnpfung, den Ursprung aller Dinge, ihre Abstammung von einander, ihre Erhaltung erklren wollte, und dabei zwar Einen hFchsten GOtt annahm, der aber zunchst aus sich selbst gewisse Kr fte gezeugt und geboren htte, und diese wzren hernach die Urheber der sichtbaren Welt geworden, von einem derselben komme auch das Gesetz her, woraus dann wunderliche Gedanken von der Fortpflanzung der Menschen, vom Ursprung der Leiber, vom Ehestand, vom Gebrauch der Speise und Trank, von der Verehrung der Engel usw. entstanden. Wo man nun das Alles mit der Lehre Christi vermengen, und so ineinander weben wollte, da stand der Apostel scharf dagegen, weil zu besorgen war, man werfe ber eine Weile Eins mit dem Anderen weg. Es ist sehr dar ber zu wachen, da sich nichts in der Hochachtung des menschlichen Gewissens festsetze, was nicht aus der Wahrheit ist; denn man kann es hernach nimmer auseinander lesen. Alle Mzhe gibt sich der Mensch eher, als da er bei dem Einen, das not ist, fest aushielte. Das hat schon Salomo unter den gbrigen Eitelkeiten beseufzt (Pred. 12, 12-14). Denn bei der Fragsucht und bei allen Verstandeswahrheiten kann er sich mit einem aufblhenden Wissen kitzeln; Gewissenswahrheiten aber demMtigen den Menschen. Hren kann man freilich einen Jeden, was er vorzubringen hat, sodann auch suchen, ihm durch Ermahnen, Zurechtweisen, berzeugen beizukommen; lt er sich aber nicht gewinnen, so ist des Apostels Meinung: halte dich nicht immer mit ihm auf, befiehl ihn GOttes Erbarmen, warte dorther Schickungen ab, ob ihm GOtt Bue zum Leben gebe. Eigensinnige Kapfe werden oft eher durch ein bedchtliches Meiden zur Bu e und Sinnesnderung geleitet, als durch ein bestondiges Anhalten bei ihnen. Der Satan mchte einem oft auch am Zaun des Gartens so viel zu schaffen machen, dae man darber das Pflanzen vers umte. Da mu man auch wissen was er im Sinn hat, und eine so unfruchtbare Arbeit stehen lassen. Was aus dem Gelenk der Demut verrenkt ist, das ist eine gliedliche Handreichung anzunehmen nicht fnhig, und das heit verkehrt. Ungehorsam, Ha der Zucht, Ungeneigtheit, sich berzeugen zu lassen, sind Wurzels nden, also sndigt man damit nicht nur, sondern veranladt auch viele andere Snden. Wer sich oft unter Anderer Urteil am wenigsten beugen will, der trgt das Urteil und Zeugnis seines Gewissens wider sich, dai er sich selbst, und seine Ehre suche, Gehorsam versage u. dgl. Dieser unter seinem Selbsturteil noch geschftigen Wahrheit kann man ihn mberlassen. Sieh, ob ich auf bsem betrtglichem Stege, und leite mich, Hchster, auf ewigem Wege - auch bei meiner Arbeit an Anderen, nicht auf Holzwege!
(12-15) - Der Apostel macht etliche nltige Bestellungen, und beschliet den Brief mit wechselseitigen Green, und seinem herzlichen Segenswunsch. Artemas oder Tychikus waren fer solche zu achten, denen Titus das Werk des HErrn in Kreta sicher anvertrauen konnte. Blder aber sollte er von seinem Posten nicht weichen, bis er durch dergleichen tochtige Gehilfen abgelst w rde. Dergleichen Trstungen, wie ihm Titi Besuch sein konnte (2.Kor. 7, 6), hat sich Paulus immer bederftig geachtet, und daneben gerechnet, da Titus auch seinerseits nicht leer dabei ausgehen werde. In der alten Beischrift: geschrieben von Nicopolis hat dieser zwelfte Vers Anla gegeben. Der Brief kZnnte aber deswegen doch anderswoher geschrieben sein, und Paulus nur zu Nicopolis zu wintern vorgehabt haben. - Von Seiten der Schriftgelehrten her hatte ehemals unser lieber Heiland viel Widersprechen zu erdulden. Doch ergriff der himmlische Beruf, in der nachmaligen Predigt des Evangeliums, immer auch einige als eine Auswahl; und diese konnten dann auch mit ihren Wissenschaften fr da Reich Christi brauchbar werden. Titus, ein Vorsteher der Gemeinde, durfte sich nicht beschweren, auch duerliche Dinge, wie die Abfertigung solcher Gehilfen der Wahrheit nach all ihrer Beddrfnis war, zu besorgen. Es ist ein Unterschied zwischen der Vielgeschftigkeit mit Eingriff in fremde Hgndel, und zwischen der Besorgung uherlicher Angelegenheiten, worunter aber blo Liebe gecbt, und fr die Wahrheit GOttes und deren Ausbreitung gesorgt wird. Der Vielgescheftigkeit der ersteren Art soll sich ein Christ enthalten; aber zum Anderen soll er sich unverdrossen finden lassen. - Paulus war durch die Gnade Christi abgerichtet, niedrig zu sein und Mangel zu leiden: aber Anderen wollte er um deswillen nichts abgehen lassen. Eben an solchem Flei sollen die in Kreta neugewonnenen Christen lernen, zu was fer knftigen Diensten und Brauchbarkeit Jeder soll nachgezogen werden, und wie der, den GOtt einmal zu einem Gefa der Barmherzigkeit gemacht hat, auch zu einem Werkzeug der Gnade soll nachgezogen werden. An einem Leibe sind viele Glieder; jedes Glied aber hat seine eigene Verrichtung und Brauchbarkeit. Grome und in das Gesicht fallende Gaben machen das Brauchbare nicht allein aus. Ein Geduldiger, einer der schweigen, der Etwas tragen kann, der seines Mutes Herr ist, ist oft besser als ein Starker. Beim Unfruchtbarsein aber geht es in das Verdorren, und von diesem zum Weggeworfenwerden und Brennen (Joh. 15, 2 + 5-6). Sonst macht der Apostel diejenigen namhaft, von denen er Gre ausrichtet; weil aber Titus vermutlich noch nicht lange von Paulo getrennt war, so konnte er selbst wissen, wer bei ihm sei, - vermutlich die Apg. 20, 4 namhaft Gemachten. So machte er auch die, an die er dem Titus Gre aufgibt, nicht namhaft, wie sonst geschieht. Auch solche Abwechslungen lehren uns, da wir nicht in Allem zu viel EinfKrmigkeit betreiben, vielweniger uns beschweren sollen, wenn man mit uns nicht immer so pnktlich umgeht, wie wir es etwa zu anderer Zeit beobachtet haben. Es ist ubrigens eine nachdrckliche Beschreibung: Alle, die uns lieben im Glauben. Mit der Liebe kann man sonst manche T ndelei zu treiben versucht werden, und einander manches Lppische, Unfruchtbare, von der Salz = und Licht = Kraft des Christentums Abweichende unter diesem Namen zumuten. Aber die Schrift verwahrt es genugsam. Hier heiht sie es: Liebe im Glauben; ein anderesmal: Liebe in der Wahrheit, 2.Joh. V. 1, wiederum: Liebe von reinem Herzen und gutem Gewissen zc., 1.Tim. 1, 5 und 1.Petr. 1, 22 wird angedeutet, da nur bei einer im Gehorsam der Wahrheit keusch gemachten Seele sich ungefrbte Bruderliebe finde. - Mit Anwenschung der Gnade schliet der Apostel auch diesen Brief. Denn von der Gnade ist erst fruchtbare Anwendung des Geschriebenen, aber auch Erstattung dessen zu gewarten, was nicht so in Worte gefa t werden konnte. HErr! es sind Gnadenwerke, der Liebe Brunst, des Glaubens Strke, der Hoffnung Trost! Die schenke Du! Amen.