Selbstmitleid - Eine Lösung für unser Leiden?

Wie gut es doch tut, im Sessel oder Bett zu liegen und sich tüchtig selbst zu bemitleiden. Sich an all das Schlimme zu erinnern, was uns im Leben begegnet ist, an jede Ungerechtigkeit, die wir erfahren mussten. Da muss doch dann wirklich jeder begreifen, dass unser Schmerz der Grund für unser „nicht gerade nettes“ Verhalten ist. Man sollte uns doch bitteschön das Beileid aussprechen, Verständnis und Mitleid mit uns haben…Welch schwerer Schlag bzw. welche Ungerechtigkeit uns traf, da muss doch sogar Gott ein Einsehen haben.....


Ja, sicher. Gott versteht uns. Er kennt jeden unserer Gedanken, und nichts von dem, was uns je geschehen ist, ist ihm unbekannt Das aber heißt nicht, dass er unser Suhlen im Selbstmitleid gutheißt....


Im Leben eines jeden Menschen kommt irgendwann einmal der Moment, wo das Selbstmitleid regiert. Ich kann mich noch gut an eine abschreckende Situation in meinem eigenen Leben erinnern und ich möchte diese Erinnerung mit Ihnen teilen, damit Sie die Macht des Selbstmitleids erkennen können:


Nachdem meine damalige Beziehung zu Bruch gegangen war, gab ich mich ganz meinem Kummer, meinem Schmerz und auch meinem Selbstmitleid hin. Drei Monate habe ich mehr oder weniger gar nicht mehr geschlafen, weitere drei Monate habe ich nur sehr wenig geschlafen. Ich kann heute gar nicht mehr sagen, wie viel Zeit inzwischen seit der Trennung vergangen war, aber eines Abends lag ich im Bett und wollte nicht mehr aufhören, mich selbst zu bemitleiden. Immer wider sagte ich mir, was ich doch für ein armer Kerl sei, wie grausam mir das Schicksal mitspielt, wie mich das verletzt, wie das wehtut und so fort. So ging das etwa zwei Stunden lang. Und dich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich nach diesen zwei Stunden dann so weit war, dass ich, wenn ich eine Pistole gehabt hätte, wohl abgedrückt hätte....


Das also sind meine persönliche Erfahrungen und mein Zeugnis über die Macht des Selbstmitleids. Keine Hilfe oder Lösung des Problems, sondern ganz im Gegenteil ein noch tieferer Fall! Sicher, Selbstmitleid erhebt uns in unseren eigenen Augen einen Moment lang über den Rest der Welt, und das tut uns gut (und das erklärt auch, warum wir dem Selbstmitleid überhaupt Raum geben). Schließlich bin ich die arme Sau, der Unrecht getan wurde – die Bösen sind natürlich die anderen.


Um es kurz zu machen: "Wenn wir uns selbst bemitleiden, machen wir uns gleich einer vielfachen Schlechtigkeit schuldig! Selbstmitleid ist eine Haltung, die uns nichts geben, sondern uns nur etwas nehmen kann."


Am schlimmsten ist wohl die Tatsache, dass wir in diesem Moment uns selbst und unserem Schmerz den ersten Platz in unserem Leben einräumen (dabei sollte der erste Platz stets Gott gehören!). Ein weiteres großes Problem besteht darin, dass wir uns auf uns selbst und auf die Menschen um uns herum verlassen (Hilfe in Form von Selbstmitleid und die Annahme der „Bemitleidung“ seitens der anderen), anstatt auf die Hilfe Gottes zu vertrauen (und es ist egal, wie wir das „schönzuzureden“ versuchen).


Wie ich bereits andeutete, verstoßen wir, wen wir uns selbst bemitleiden, gegen das erste Gebot – Gott an erster Stelle zu haben, ihn mit ganzer Kraft, mit unserer ganzen Seele, mit unserem ganzen Herzen zu lieben. Solange wir in Selbstmitleid schwelgen, sind wir uns selbst „der Mittelpunkt des Alls“. Nichts und niemand ist in diesem Moment wichtiger als wir und unser Schmerz. Würde ich Ihre Situation, die Sie dazu brachte, sich selbst zu bemitleiden, kennen, würde ich Sie wahrscheinlich bedauern. Aber ich würde Ihnen auch unmissverständlich zu verstehen geben, dass Selbstmitleid keine Lösung ist, dass Selbstmitleid Sie ganz im Gegenteil um die Möglichkeit beraubt, Gottes Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und vielleicht würde ich Ihnen auch sagen, dass wir uns durch Selbstmitleid – weil wir uns dabei auf uns selbst und die Menschen um uns herum verlassen – dem Fluch Gottes ausstellen!

Jeremia 17,5-6 (NeÜ): So spricht יהוה: "Verflucht ist der Mann, der auf Menschen vertraut, der sich auf Menschenkraft verlässt und sein Herz von יהוה bkehrt! Er ist wie ein kahler Strauch in der Steppe, der vergeblich auf Regen hofft. Er steht auf dürrem Wüstenboden, im salzigen Land, wo niemand wohnt.


Es ist ernst, und natürlich betrifft das nicht nur das Selbstmitleid, sondern jedes Sichverlassen auf menschliche Ressourcen – seien es nun eigene Fähigkeiten (Kraft, Intelligenz, Gedächtnis, Schönheit, Macht, Wille….), oder auf die Hilfe eines anderen. Sehen Sie das? Gott spricht hier über einen Zustand, der dem des kahlen Strauchs in der Steppe ähnlich ist, der von dem herannahenden Guten nicht wird kosten können. Das bedeutet nicht, dass es mit den guten Dingen ein Ende hat, sondern dass sie von niemandem genossen werden können, der sich auf die menschlichen Ressourcen (einschließlich der eigenen) verlässt. Sich auf die eigenen Ressourcen zu verlassen, ist alles andere als weise, und Gott hat dies mit dem Gleichnis über die Zisternen auf wunderschöne Weise veranschaulicht:

Jeremia 2,13 (NeÜ): Denn mein Volk hat doppeltes Unrecht verübt: Mich verließen sie, die Quelle lebendigen Wassers, um sich Regengruben auszuhauen, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten.


Vereinfacht gesagt: „Falls wir in Selbstmitleid schwelgen wollen, dann können wir das natürlich tun – aber helfen wird uns das nicht! Man muss sich dem Selbstmitleid stellen und sein Vertrauen in Gott und seine Hilfe erneuern! Schauen wir uns einmal den Unterschied zwischen einem Sicherverlassen auf uns selbst (oder auf einen anderen Menschen) und dem Sicherverlassen auf Gott an! Es ist eine Frage der Wahl zwischen Segen und Fluch! Über den Fluch habe ich schon geschrieben. Schauen wir uns also nun einmal den „Effekt“ des in Gott gesetzten Vertrauens an:

Jeremia 17,7-8 (ELB): Gesegnet ist der Mann, der auf Jehova vertraut und dessen Vertrauen Jehova ist! Und er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bache seine Wurzeln ausstreckt, und sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt; und sein Laub ist grün, und im Jahre der Dürre ist er unbekümmert, und er hört nicht auf, Frucht zu tragen.


Wenn ich mir so anschaue, was Gott an Segen und Fluch so anbietet, entscheide ich mich dann doch lieber für den Segen… Sehr gut gefällt mir diesbezüglich die Haltung des Apostels Paulus:

Philipper 3,13-14 (NeÜ): Nein, ich bilde mir nicht ein, es schon geschafft zu haben, liebe Geschwister; aber eins steht fest: Ich vergesse das Vergangene und schaue auf das, was vor mir liegt. 14Ich laufe mit aller Kraft auf das Ziel zu, um den Siegespreis droben zu gewinnen, für den Gott uns durch Jesus Christus bestimmt hat.


Paulus hätte - wie jeder von uns – genügend Gründe gehabt, sich zu bemitleiden. Aber er hatte begriffen, dass weder Bedauern (z.B. darüber, dass er die lebendige Kirche verfolgt hatte) noch Selbstmitleid (z.B. weil er schließlich selbst verfolgt, ausgepeitscht, gesteinigt und eingekerkert wurde und oft Hunger leiden musste) eine Lösung darstellen. Er entschied sich bewusst dafür, diese Haltungen abzulehnen und sich ganz auf Gott auszurichten und auf das, was vor ihm liegt.


Im Grunde ist es egal, welche Gründe wir für unser Selbstmitleid finden (ja, es muss nicht einmal eine reale Basis haben!). Ein typischer „Grund“ für Selbstmitleid können beispielsweise eine körperliche Beeinträchtigung bzw. eine Krankheit, eine Ablehnung, das Scheitern einer Beziehung, die Nichtaufnahme auf eine Schule, eine ungerechte Tracht Prügel, bzw. jede Art von ungerechter, unzureichender oder fehlender Würdigung unserer jeweiligen Bemühungen, das körperliche Aussehen, „begrenzte“ mentale Fähigkeiten, der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust einer nahestehenden Person sein. Man sollte sich zudem bewusst machen, dass wir durch Selbstmitleid unser Misstrauen gegenüber Gott zum Ausdruck bringen! Wenn Sie sich also irgendwann einmal wieder in einer schwierigen Situation wiederfinden, versuchen Sie die richtige Entscheidung zu treffen! Sie selbst sind es, der zwischen Segen und Fluch (hoffentlich weise) auswählt....

 
Libor Diviš

 

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Kommentare   

# Hans-Joachim Fritz 2018-06-06 15:08
Hallo,
ich weiss, dass Du es gut meinst, aber ich weiss auch, dass Du mit Sicherheit noch keinen langen und andauernden Leidensweg gegangen bist. Lies doch bitte einmal Hiob 9 und 10 (Hiob10,18), sowie Jeremia(20,14-18). Dann weisst Du was echte Leiden sind. Bitte schreib nur über Dinge die Du selber gelebt und gelitten hast und Dich nicht zur Herzlosigkeit verleiten lässt. Denke an die Freunde Hiobs.
Gerade das will doch Gott, wenn er unser Vater in Christo wird. Unser Herz (Schmerz und Kummer) bei Ihm ausschütten. Lies auch AG 28,15. Auch Paulus war wohl entmutigt und brauchte die Stütze des Herrn.
Selbstmitleid kommt aus tiefer Trübsal. Sie wird aber erst kritisch, wenn man nicht mehr daraus herauskommt. Dafür sind ja die Geschwister zuständig, die Mut und Trost spenden dürfen.

Philipper 3,13-14 muss ganz anders im Kontext ausgelegt werden. Das Pharisäertum des Paulus, welches ihm ein Gewinn war, lässt er hinter sich, auf dass er den Christus gewinne. Bitte lies das ganze Kapitel 13, dann wird es klar.
Liebe Grüße, HaJo
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